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Samstag, 31 März 2018 12:59

Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie in Indien – Recht und Praxis

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Produkt- und Markenpiraterie in Indien ist durchaus ein Problem und zwar gerade auch für deutsche Unternehmen. Ein Überblick über die rechtlichen Instrumentarien in Indien zeigt, dass der Kampf gegen Produktpiraterie in Indien erfolgreich geführt werden kann.

In den westlichen Medien wird über Produkt- und Markenpiraterie in Indien nur wenig berichtet. Auch die Grenzbeschlagnahmestatistik der EU lässt Indien in einem guten Licht dastehen: Während über 80% der Grenzbeschlagnahmen von Produktfälschungen aus China kamen, betrug der Anteil aus Indien nur etwas über 1%. Dieser Umstand sollte allerdings nicht dazu verleiten, die Gefahr von Produktpiraterie in Indien zu unterschätzen. Denn als Herkunftsland der gefälschten Waren wird in den Zollstatistiken nur das Land erfasst, aus dem die Waren importiert werden. Da es in der organisierten Produkt- und Markenpiraterie aber üblich ist, gefälschte Waren nicht direkt, sondern über Drittländer in das Zielland zu importieren, dürfte der prozentuale Anteil der aus Indien stammenden Produktfälschungen in Wahrheit viel höher liegen, da in der Zollstatistik diese Waren schlicht nicht als »indische Waren« erfasst werden. Dies belegt auch der Havocscope Black Market und der Special 301 Report der USA: Danach soll der allein in Indien durch Produktpiraterie verursachte Schaden bei ca. 11.9 Milliarden USD liegen und nach einer Mitgliederumfrage des VDMA im Jahr 2014 lag Indien auf Platz 4 der Herstellungsländer bei Marken- und Produktpiraterie.

Produkt- und Markenpiraterie in Indien ist daher durchaus ein Problem und zwar gerade auch für deutsche Unternehmen. Denn Indien bietet grundsätzlich gute Produktionsbedingungen für Produktpiraten: Die Lohn- und Produktionskosten sind niedrig, fachspezifisches Know-how ist in vielen Branchen vorhanden, Behörden und Polizisten sind korruptionsanfällig und das Land ist aufgrund seiner Größe ein nur schwer kontrollierbarer Markt. Insofern überrascht es nicht, dass über 62% der an den EU-Grenzen beschlagnahmten Medizinprodukte aus Indien kamen.

In Deutschland können betroffene Unternehmen einen Grenzbeschlagnahmeantrag stellen, um so die Einfuhr von Produktfälschungen und Plagiaten aus Indien möglichst zu verhindern. Ein Großteil von rechtsverletzenden Waren wird allerdings vom Zoll meist nicht gefunden und gelangt damit dennoch in den Europäischen Wirtschaftsraum. Auch die Beschlagnahme von Produktfälschungen und Plagiaten auf deutschen Messen kommt in Betracht und ist durchaus erfolgversprechend, allerdings wäre es natürlich besser, die Produkt- und Markenpiraterie direkt an der Quelle in Indien zu bekämpfen. Ein Überblick über die rechtlichen Instrumentarien in Indien zeigt, dass der Kampf gegen Produktpiraterie in Indien erfolgreich geführt werden kann:

1. Überblick der Schutzrechte:

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Indien grundsätzlich über gute rechtliche Rahmenbedingungen zum Schutz geistiger Eigentumsrechte verfügt. Das indische Markenrecht gewährt zum Teil sogar bessere Rechtschutzmöglichkeiten für ausländische Rechteinhaber als das deutsche Recht und das Urheberrecht ist urheberfreundlich ausgestaltet. Das Patentrecht in Indien stellt sich dagegen als eher restriktiv dar und bietet viele Möglichkeiten, erteilte Patente anzugreifen oder zumindest Gerichtsverfahren in die Länge zu ziehen. Dennoch lassen sich auch Patentrechte in Indien erfolgreich durchsetzen. Das Designrecht stellt sich bislang noch als sehr formalistisch dar und hat sich in der Praxis noch nicht als scharfes Schwert bewiesen. Die Probleme liegen daher meist bei der Rechtsdurchsetzung.

2. Rechtsdurchsetzung und Taktik:

Die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs erfolgt über eine gerichtliche einstweilige Verfügung. Diese kann in eindeutigen Fällen der Markenpiraterie z.T. in wenigen Tagen oder Wochen erlangt werden. Aufgrund der langen Verfahrendauer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, hat eine einstweilige Verfügung meist faktisch endgültigen Charakter. In komplexeren Verletzungsfällen kann sich die Verfahrensdauer dagegen erheblich verlängern. Wichtig ist allerdings, dass eine einstweilige Verfügung auch exparte, d.h. ohne vorherige Anhörung des Verletzers beantragt werden kann. Gerade wegen des Überrumplungseffekts und der Möglichkeit, eine solche ex parte injunction mit entsprechenden Besichtigungs-, Beschlagnahme und Sicherstellungsanträgen (sog. Anton Piller Order) und einem Antrag auf Einfrieren von Vermögenswerten (sog. Mareva injunction) zu verbinden, hat diese Form der einstweiligen Unterlassungsanordnung in der Praxis große Bedeutung.

Darüber hinaus erkennen die indische Gerichte auch eine sog. John Doe Order (Ashok Kumar-Order) an, mit der eine Klage gegen „unbekannt“ eingereicht werden kann. Dies ist insbesondere bei Urheberrechtsverletzungen im Internet (z.B. illegale Streaming- und Downloadmöglichkeiten von Filmen) relevant.

Hervorzuheben ist auch, dass Produktpiraterie in der indischen Gesellschaft grundsätzlich als ein Unrecht angesehen wird und die indischen Gerichte keinen Zweifel daran gelassen haben, dass Produktpiraterie von den indischen Gerichten nicht toleriert wird. Aus diesem Grunde haben die indischen Gerichte schon früh den sog. Strafschadenersatz anerkannt, der nach Auffassung der Gerichte für den Verletzer auch „finanziell desaströs“ sein kann. Auch wenn nach westlichen Maßstäben selbst dieser Strafschadenersatz noch gering ausfällt und der Rechteinhaber auf den Gerichts- und Anwaltskosten meist zum großen Teil sitzen bleibt, haben die indischen Gerichte damit das richtige Signal gesetzt.

Neben den zivilrechtlichen Instrumentarien stellt das indische Recht auch strafrechtliche Sanktionsmechanismen zur Verfügung. Vor allem in Fällen, in denen die Rechtsverletzung auch auf eine Urheberechtsverletzung gestützt werden kann, hat sich gezeigt, dass sich das strafrechtliche Instrumentarium der Beschlagnahme – in Kombination mit zivilrechtlichen Maßnahmen – als ein effektives Mittel im Kampf gegen Produktpiraterie in Indien darstellen kann. Eine solche Urheberechtsverletzung liegt regelmäßig vor, wenn der Verletzer die gesamte Aufmachung und Verpackung der Originalwaren kopiert. Darüber hat Indien auch eine Grenzbeschlagnahmeverordnung erlassen, die der EU-Grenzbeschlagnahmeverordnung ähnlich ausgestaltet ist. Damit können schutzrechtsverletzende Waren an den indischen Grenzen auf entsprechenden Antrag des Rechteinhabers beschlagnahmt und vernichtet werden. Diese straf- und zollrechtlichen Maßnahmen funktionieren in der Praxis allerdings meist nur dann, wenn man einen engen Austausch mit den zuständigen Behörden pflegt.

3. Zusammenfassung:

Indien bietet sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen im Kampf gegen Produktpiraterie als auch die Möglichkeit, diese Rechte in der Praxis durchzusetzen. Dennoch muss betont werden, dass die Rechtsdurchsetzung auch in Fällen der Produkt- und Markenpiraterie kein „Selbstläufer“ darstellt und nicht unerhebliche Kosten verursacht. Dies liegt jedoch auch natürlich an den Produktpiraten selbst, die jedes Mittel nutzen werden, um sich ihrer Haftung zu entziehen und ihr Treiben fortzusetzen.

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